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Willow – die Kirche der Zukunft?

Auf dem Willow-Leiterkongress Anfang Februar in Dortmund habe ich eine außerordentliche Erfahrung gemacht – sie kommt einer „Erleuchtung“ nahe, einer erschreckenden allerdings.

Gigantisch: 12 000 Teilnehmer, starker Lobpreis, super Bühne mit allen technischen Effekten. Willow steht für Exzellenz. „Willow Creek Deutschland“ hat eine über 20-jährige Geschichte; unzählige erfolgreiche Projekte in den evangelischen Kirchen in Deutschland gehen auf Willow-Kongresse und -Impulse zurück. Ihren Ursprung hat die Organisation in der „Willow Creek Community Church“ in South Barrington (Chicago); mit 24 000 Gottesdienstbesuchern ist das eine der größten Gemeinden der USA. Weltweit zählen sich über 10 000 Gemeinden zum Willow-Netzwerk; Willow-Leiterkongresse finden in 128 Ländern statt. Durch dieses Netzwerk wurden viele Tausende mit Jesus bekannt, und jedes Mal wurde im Himmel ein Fest gefeiert!

 

Das große Thema des Kongresses in Dortmund war die Kirche der Zukunft; darüber sprach im Besonderen der katholische Theologe und Generalvikariatsrat Dr. Christian Hennecke. Auf seine hervorragenden Impulse komme ich später zurück, zuerst meine „erschreckende Erleuchtung“:

Bill Hybels, Gründer der „Willow Creek Community Church“, hat nach 15 460 Arbeitstagen nur noch 248 vor sich, dann übergibt er an seine Nachfolger. Sechs Jahre hat man sich dort Gedanken gemacht, wer das sein könnte. Ein säkularer Berater analysierte messerscharf: „Was macht Bill eigentlich? Er leitet und er lehrt, und dafür braucht er 84 Stunden in der Woche.“ Der Berater wollte wissen, wer denn so einen Job haben möchte. Die Lösung: Sie suchten bei Willow den besten Leiter und den besten Lehrer – und wurden fündig. In Zukunft werden also zwei Personen Bill Hybels ersetzen: Heather Larson (42) wird leiten und Steve Carter (38) lehren.

Was wird Bill Hybels nun tun? Mehr segeln als bisher, aber er erzählte auch von einer ganz neuen Idee: Die Wurzel der Missstände hänge zusammen mit dem Zustand des Menschenherzens; in seiner neuen Vision sieht er die Kirche in der Gesellschaft umgeben von der Geschäftswelt, der Politik, dem Bildungswesen, dem Gesundheitswesen und Unterhaltungsbusiness. Die Geschäftsleute in den Gemeinden sollten ein Segen sein für die Geschäftswelt – und überhaupt, jeder für den Gesellschaftsbereich, in dem er tätig ist.

Was ist daran erschreckend, fragen Sie? Loren Cunningham, der Gründer von „Jugend mit einer Mission“, hat das schon 1975 von Gott gehört; er sprach von sieben Bereichen, in die wir als Missionare hineinwirken. Noch am selben Tag, an dem Cunningham diese Vision hatte, erhielt er von Bill Bright (Campus für Christus) einen Anruf – der hatte dieselbe Vision! Damit nicht genug: Drei Wochen später sah Lorens Frau Darlene im Fernsehen einen Vortrag von dem Theologen und Philosophen Dr. Francis Schäffer („Wie können wir denn leben?“), und auch er sprach über diese sieben Bereiche. Heute sind diese Gedanken als das „7-Berge-Prinzip“ in verschiedenen Bewegungen im Gespräch; in den letzten zehn Jahren sind etliche Bücher dazu erschienen.(Wer bemerkt, was mich so erschreckt?)

Am Stand von Gott24.TV konnte ich die »Z« präsentieren; dabei kam ich mit einigen „Alpha-Leitern“ ins Gespräch. Wir kennen uns seit Jahren, sie haben das »Z«-Magazin in der Post. Auf meine Frage, ob sie in die letzte Ausgabe, die zur Reformation,schon mal hineinschauen konnten, antworteten alle mit großem Aufstöhnen: „Wie stellst du dir das vor, bei den Türmen von Papier, die sich da stapelt!“

Das kann ich natürlich gut nachvollziehen. Leiter. Vielleicht auch mit 85 Wochenstunden … Könnte das der Grund sein, warum Bill Hybels bisher nichts von dem Sieben-Bereiche-Prinzip gehört hat, über das Loren Cunningham seit 43 Jahren spricht (und nach ihm sicher weitere fünfzig namhafte Leiter)? Hätte Bill Hybels diese „neue“ Vision schon vor 15 oder 20 Jahren gehabt, könnten heute bereits Hunderttausende die Früchte davon genießen.

Ist es nicht ein teuflischer Raub, dass wir trotz großer Netzwerke in unseren Denominationen oft isolierter sind, als wir denken? Wir treffen uns mit gleichgesinnten Alpha-Leitern, klopfen uns auf die Schultern und bestärken uns in den uns bereits Bekanntem. Wie soll da etwas wirklich Neues hinzukommen? Kann das die Zukunft sein?

Doch wie kann diese Mauer durchbrochen werden? Wie kann eine vielleicht bedeutende Vision eines Beta-Leiters die Festung der 85-Stunden-Berge durchdringen?

Noch älter als die Vision der sieben Gesellschaftsbereiche von Loren Cunningham ist die Strategie des Top-5-Leiterteams, das schon der alte Fuchs Paulus den Ephesern erklärte: „Wenn du so etwas wie Willow ordentlich leiten willst, dann brauchst du exzellente Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer.“ Einer, ein Einziger ist nur Gott, alle anderen brauchen einander. Also Bill Hybels ist gegenüber vielen anderen dem eigentlichen Konzept jedenfalls einen Schritt nähergekommen: Man hat für seine Nachfolge ein Zweierteam gewählt. Zwei sind besser als einer, aber das sind immer noch nicht fünf. Und eins habe ich bei Willow noch nie gehört: dass von Propheten geredet würde. Dabei zählen die Propheten doch zur Grundlage der Gemeinde, auf die aufgebaut werden sollte!

Nun die Impulse von Dr. Hennecke: Bei dem dichten Programm war er für mich das Glanzlicht zum Thema „Kirche der Zukunft“.

Der Katholik zitiert Bonhoeffer: „Das Wort Gottes so aussprechen, dass sich dadurch die Welt verändert und erneuert.“

Unser größtes Hindernis ist, wenn wir weiterhin um uns selbst kreisen. Wir brauchen Umkehr und eine neue Geburt. Das kann schmerzhaft sein. Wenn man meint, man habe ja genügend Finanzen und Macht – das verzögert nur alles. Nicht nach hinten schauen! „Siehe, ich wirke Neues! Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht?“ (Jesaja 43,19). Sollten wir das Neue nicht entdecken, macht Gott es trotzdem.

Wie ich mir die Kirche der Zukunft vorstelle? So: Gott wird sie auf den Kopf stellen.

Nur Christus macht Kirche zur Kirche. Christus in unserer Mitte – das ist entscheidend. Wo zwei oder drei solche zusammen sind, da ist Kirche.

Die Kirche der Zukunft ist mit Sicherheit katholisch, weil sie die umfassende Weite hat. Und sie ist jedenfalls evangelisch, weil sie nur vom Evangelium herkommen kann. Sie ist unbedingt orthodox, weil sich daraus viele Traditionen neu erschließen; und sie ist natürlich pfingstlich, denn was sollen wir ohne dem Geist Gottes schon anfangen!

Dr. Hennecke zitiert Lothar Zenetti, den katholischen Theologen, Priester und Schriftsteller:

„Frag 100 Katholiken: Was ist das Wichtigste an der Kirche? Und sie werden dir sagen: Die Messe. Frag 100 Katholiken: Was ist das Wichtigste an der Messe? Und sie werden dir sagen: Die Wandlung. Sag 100 Katholiken: Das Wichtigste an der Kirche ist die Wandlung. Und sie werden sich empört abwenden.“ Sie wollen, das alles so bleibt wie es ist.

Ja, das ist die Frage: Ob wir Wandlung wollen. Wandlung, Veränderung hat nämlich mit Sterben und Auferstehen zu tun. Es darf also ruhig etwas sterben. Ein wesentlicher Teil des Wandels ist deshalb nicht kirchliche Intensivmedizin, sondern Hospizarbeit. Vom Glauben her, wissen wir, dass dann etwas Neues entsteht. Wandel: vom Machen und Herrschen zum Dienen und Ermöglichen.

Die Zukunft der Kirche hängt mit dem Reich Gottes zusammen. Die Kirche, die kommt, diese Kirche ist das Volk Gottes, in dem alle gleich würdig sind, in dem die Gaben und Talente hervorgerufen werden. Damit Christus herrschen darf und sein Wort das Sagen hat.

Sie ist die Blumentopf-Kirche: Die Leiter bilden den Boden des Blumentopfs und tun alles, damit die Blumen herrlich in die Welt hinaussprießen.

Wie wäre es, wenn sich die Alpha-Leiter mit vier anderen zusammentun würden und gemeinsam den Boden von solchen Blumentöpfen bildeten? Dann hätten sie wieder Zeit, auf den Herrn zu warten, um zu hören, was der Geist heute der Gemeinde sagt.

PS. In der »Z« über Reformation und in dem Buch „Wie geht Einheit“ steht Zukunftsweisendes. Wäre doch schade, wenn einige Leiter erst in 43 Jahren davon erfahren würden.